Toi Toi Dixie

Der große Gleichmacher unter den Menschen ist bekanntlich das stille Örtchen, wo auch der Kaiser zu Fuß hingeht, wo das soziale Bedürfniß nach subtiler Abstufung des Sozialprestiges und menschliche Differenzierungsstrategien nicht greifen kann. Die anderen Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken sind längst durchsegmentiert, man findet Produkte und Services von sehr teuer bis sehr billig auf einer Skala mit mindestens fünf Abstufungen. Weder Geld noch gute Worte, Macht oder Titel können uns jedoch eine bessere Toilette verschaffen als die, die auch alle anderen benutzen. Das gilt besonders bei Rockkonzerten und großen Events. Und seien wir ehrlich, das Leben vor Corona bestand ja fast nur noch aus Events, weshalb wir uns alle miteinander immer wieder auf denselben Dixie WCs begegnen, von denen es nur 80.000 in Deutschland gibt.

Aber halt, es ist eine Innovation zu vermelden, denn der monopolverdächtige Marktführer Adco, dem beiden Marken, Dixie (basic) und Toi Toi (für den gehobenen Anspruch) gehören, brachte 2008 eine VIP Version auf den Markt, den sogenannten Toi flush, der "mit automatischer Frischwasserspülung neue Maßstäbe unter den mobilen Toiletten" setzt. Mit anderen Worten: es gibt jetzt immerhin drei Differenzierungsstufen bei diesem wichtigen menschlichen Grundbedürfnis. Der Sozialismus hat abgedankt, wir sind zum guten alten Dreiklassen-System zurückgekehrt. Nationale Unterschiede bleiben jedoch weiter bestehen, "Spanier wollen Sichtschutz, Briten spülen lieber" und "Chinesen sitzen am liebsten seitwärts zur Tür", berichtet die Welt. Im deutschen Kulturraum ist die Gattung Toilettenhäuschen jedenfalls eindeutig mit Dixie im kollektiven Bewußtsein verankert, Toi Toi kam später.

Das anonyme und amorphe Design von Dixie fügt sich hervorragend in die typisierende Welt des Modellbaus mit ihrem ewigen Hang zu Klischeebildung und Universalitätsanspruch. Das Dixie Design bedient dabei auch unsere anthropologische Prägung, denn Menschen neigen dazu, die eigenen Exkremente zu tabuisieren und möglichst unauffällig zu entsorgen. Die Exkremente gehören in unserer Vorstellung nicht wirklich zum eigenen Körper, noch nicht mal in die eigene Wohnung, sie sind immer schon in eine anonyme und exterritoriale Zone hineingedacht. Die gekachelte Hermetik unserer Toiletten unterstreicht das menschliche Abgrenzungsbedürfnis gegenüber den eigenen Exkrementen besonders deutlich. Die Trennung zwischen drinnen und draußen muß hier klar und hart sein, damit wir emotional auch sicher sein dürfen, dass das nach Außen Entsorgte nicht wieder einsickern kann. Die offensichtliche Mobilität von Dixie beruhigt uns zudem in der Gewißheit, dass die Exkremente zunächst sicher abgekapselt sind und dann weit entfernt entsorgt werden. Das alles nehmen wir wie durch eine Milchglasscheibe wahr, denn wir wollen es nicht genau wissen, wir wollen auch nicht wirklich sehen, wo wir sind, wenn wir auf einem Dixie sitzen.

Das wenig akzentuierte, irgendwie schwammige und amorphe Design der Dixie Kabinen unterstützt die angestrebte Verdrängung durch Verzicht auf Strenge und Klarheit, durch Beiläufigkeit und Unbestimmtheit. Geniale Designer haben dem Dixie vermutlich ein paar Pixel herausoperiert, damit er so perfekt unscharf aussieht wie von Gerhard Richter gemalt. Ludwig Wittgenstein hätte dem zugestimmt: "Ist es immer vorteilhaft, ein unscharfes Bild durch ein scharfes zu ersetzen?", fragt er, "Ist denn nicht oft das Unscharfe gerade, das man braucht?". Richtig, zumindest bei Toilettenhäuschen! Dixie feiert 2008 seinen 35. Geburtstag und ist damit nur fünf Jahre jünger als die 68er Bewegung. Mit Toi flush ist die Firma jetzt endlich im Establishment angekommen. Herzlichen Glückwunsch!




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