Schweinsköpfe mit Wassermelonen
Das arme Schwein, das dumme Schwein und das dreckige Schwein kommen im Deutschen viel häufiger vor als das Glücksschwein. Letzteres begegnet uns allenfalls noch in der ausgelutschten Werbesprache der Lotteriegesellschaften, die anderen täglich im gesprochenen Dialog. Vielleicht liegt es ja daran, dass das Schwein evolutionsgeschichtlich besonders viel Pech gehabt hat. Eigentlich ein kluges Tier und eine starke Spezies, aber dann leider vom Menschen als eine seiner Hauptnahrungsquellen auserkoren und zugerichtet. Es fällt schwer, dass Schwein heute noch als Glückssymbol zu sehen, jedenfalls in Europa. In Südamerika und Asien hat sich das Schwein jedoch seinen spirituellen Nimbus erhalten. Es gilt als Symbol des Reichtums und ist die bevorzugte Göttergabe. Man opfert ja immer das, was einem viel bedeutet, sonst ist es kein Opfer.
In Korea werden Schweine regelmäßig geopfert, zur Einweihung eines neuen Büros oder zur Installation eines Safes oder auch bei der Anmeldung eines neuen Autos. Ich sehe zwei Männer auf silbernen Matten vor ihrem Wagen knien, der Schweinskopf auf der Motorhaube drapiert, Stücke von Wassermelonen rundherum angerichtet. Der Schweinskopf ist ein starkes Symbol, schon allein, weil Schweine im Tod immer lächeln, ist Ihnen das schon mal aufgefallen?
Der belgische Künstler Wim Delvoye hat schon mehrfach mit Schweinen gearbeitet. Er verwandelt sie in ironische Luxusobjekte, die jetzt auch wieder interessant für die europäischen Opfertische werden könnten. Ein Schwein zu opfern, wäre banal, aber ein tätowiertes Schwein mit dem Logo-Muster von Louis Vuitton? Opfern darf man hier nicht im wörtlichen Sinne verstehen. Nach westlicher Wesensart wird auf den Altären von Charity und Responsibility geopfert. Wer Kunst kauft, übernimmt Verantwortung für Kreativität oder glaubt das zumindest. Am Ende des Tages kein großer Unterschied zu den Koreanern: man glaubt an eine höhere Gerechtigkeit. Allerdings will man in Europa keine toten Schweinsköpfe sehen, das wäre unappetitlich. Der mit Diamanten bestückte Totenschädel von Damien Hirst hingegen ist nur noch Knochen, und er lächelt nicht, er grinst.
Wim Delvoye ist auf dem richtigen Weg, die ökologische und auch ethische Aufwertung des Schweins verlangt nach einem ästhetischen Überbau. Die Schweinsköpfe sollten nicht weiter tabuisiert und bereits auf dem Schlachthof entsorgt werden, ich fände es schön, wenn sie zurück auf unsere Tische kehren würden, natürlich nicht zum Essen. In vegetarischen Restaurants beispielsweise könnte der lächelnde Schweinskopf das Glück über die geretteten Tiere verkörpern. Trinkgelder können in seinem Maul hinterlassen werden, ein schönes Bild. Und denken Sie daran: zum Dessert Wassermelonen.