Subtiles Design

Am Sabbat sollen orthodoxe Juden nicht arbeiten. Zu deren Begriff von Arbeit gehört aber auch das Tragen von Gegenständen außerhalb des privaten Bereiches sowie vom öffentlichen in den privaten Bereich. Orthodoxe Juden können also beispielsweise am Sabbat nicht einkaufen, denn dann würden sie ja Gegenstände vom öffentlichen in den privaten Bereich tragen. Das Gewicht spielt hierbei übrigens keine Rolle, es geht dem orthodoxen Glauben um das Prinzip. Aber Prinzipien können aufgeweicht werden, sogar bei den Orthodoxen, die zu diesem Zweck den Eruv erfunden haben. Das ist eine symbolische Linie, die eine jüdische Gemeinde gleich welcher Größe umschließen muß, um den gesamten Innenraum in die private Sphäre dieser Gemeinde zu verwandeln. Innerhalb dieses Eruv Bannkreises darf dann beliebig transportiert und getragen werden. Eine symbolische Lösung also, die den Bergriff des Privaten vom Haus auf die Nachbarschaft und Gemeinde ausdehnt und damit größere Freiräume für die Juden am Sabbat schafft.

Hier überrascht zunächst die strategische Leichtigkeit, mit der ein sehr ernst genommenes Verbot großräumig außer Kraft gesetzt werden kann. Manhattan zum Beispiel ist nach der großen Eruv Erweiterung von 2007 nahezu vollständig umschlossen und wurde in der Logik des orthodoxen jüdischen Glaubens damit vollständig zur Privatsphäre der dortigen jüdischen Gemeinden. In der Praxis werden die Eruvs mit Drähten oder Kabelstangen konstruiert, die entlang der Licht- und Verkehrsmasten in einer Höhe von etwa fünf Metern geführt werden. Dieser Eingriff in die urbane Infrastruktur wird von Nicht-Juden in der Regel gar nicht bemerkt und verschwindet unerkannt im Konzert aller städtischen Oberleitungen. Vor jedem Sabbat muß natürlich kontrolliert werden, ob der Eruv auch wirklich eine ununterbrochene Linie bildet und nicht etwa beschädigt oder gar gerissen ist. In Los Angeles werden die Eruvs regelmäßig mit Helicoptern abgeflogen, in denen Männer mit dicken Ferngläsern sitzen. "The eruv is presumed down, unless it is checked", erklärt Rabbi Yehudi Sarna aus New York anläßlich der oben erwähnten Eruv Erweiterung.

Dass zeigt die Haltung sehr deutlich. Einerseits genügt den Orthodoxen eine dünne, fast abstrakte Linie, um das lästige Verbot abzuwehren. Andererseits reicht es aber nicht, diese Linie nur zu definieren oder partiell zu markieren, sie muß offenbar physisch installiert werden, um Gott zu überzeugen. Mit der bloßen symbolischen Bedeutung der Linie ist man nicht beruhigt, vielmehr soll auch ihre funktionale Unversehrtheit sichergestellt werden, als ob sie eine Funktion außerhalb ihrer symbolischen Bedeutung wahrnehmen könnte. Ein bloß gedachte Linie muß wöchentlich repariert werden. Das ist wirklich subtil.




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