Design für die Ewigkeit

Die Frage, was bleibt, wenn man für immer geht, ist ja ein Lebensthema für viele Menschen. Wir kennen verschiedene Strategien, etwas zu hinterlassen, Kinder, Bücher, Bauten und Stiftungen sind beliebt. Bei Leuten, die es sich leisten können, ist seit den Pharaonen auch die Aufbewahrung der eigenen Leiche in möglichst stabilen, repräsentativen Bauten erstrebenswert. Wer sich etwa die barocke oder klassizistische Architektur auf bürgerlichen Friedhöfen des frühen 20. Jahrhunderts anschaut, kann ermessen, wie viel Geld, Statusdenken und Gestaltung einst in die Verewigung der sterblichen Reste oder doch zumindest in ihre räumliche Integrität und Kennzeichnung geflossen ist. Solche Bedürfnisse sind in der Moderne dann rückläufig. Geld und Prestige werden gerne in der Gegenwart dokumentiert, wen interessiert noch das Leben nach dem Tod? Sarkophage und Grabstätten mit Laufzeiten von mehr als 30 Jahren sind auch bei den Wohlhabenden nicht mehr en vogue, es sind eher Formen der Transzendierung des eigenen Körpers, die jetzt angestrebt werden: Asche im Meer oder in der Natur ausstreuen, gar in den Weltraum schicken, zu Diamanten pressen, bei einer Baumpflanzung in die Grube streuen lassen. Die Investition fließt hier in das Verwischen der eigenen Spuren, nicht in dingliche Denkmäler. Oder sie fließt in den flüchtigen Akt der Beerdigungszeremonie. Es gibt Trauergesellschaften, die mit Helicoptern auf einen Gletscher geflogen wurden, zum Ascheverstreuen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß hierbei der Satz 'Diesen Ort hat er geliebt' gesprochen wurde.

Ich höre auch von einer neuen Kultbestattung aus dem Mutterland des schwarzen Humors. Hier wird die Asche in eine Bierdose eingebracht und in den River Thames geworfen - eine sehr preiswerte Lösung mit dem treffenden Namen 'bud can funeral'. Wem das ein bißchen zu profan ist, der kann für 495$ immerhin einen Teil seiner Asche in einer Aluminiumkapsel mit den Russen in den Weltraum schießen und schwebt dann auf ewig im Vakuum.

Aber sortieren wir die strategischen Optionen: die Leiche, konserviert, verspricht die Identität des eigenen Körpers an einem identifizierbaren Ort, dem Sarkophag, räumlich stabil über einen Zeitraum von vielleicht 300 Jahren oder auch 3000. Die Leiche in Verwesung frisst die Illusion körperlicher Identität innerhalb von 20-30 Jahren auf, in der Regel erlischt dann auch die räumliche Integrität, die Grabkontrakte werden selten verlängert. Wir lernen, dass die Konservierungsstrategie um den Faktor 10-100 teurer sein wird als die Verwesungsstrategie, auch relative Ewigkeit hat ihren Preis. Die Asche bietet wie der Sarg räumliche Kontinuität der sterblichen Reste zu deutlich günstigeren Finanzierungsbedingungen auch über längere Zeiträume. Die Diamant Gruppe verfolgt andere Ziele und will keine stabile Position der eigenen Reste, sondern gerade Mobilität und passive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auch nach dem Tod, indem man sich als Schmuckstück des oder der Liebsten durch die Gegend tragen lässt. Der Aschediffusion Gruppe, die sich verstreuen läßt und Staub werden will, geht das nicht weit genug, sie möchte vielmehr in den ewigen Kreislauf der Materie wiedereinkehren und Substanz für neues Leben werden. Sie verzichtet deshalb auf körperliche und räumliche Integrität und schickt ihre Reste in das große Ganze zurück. Das ist natürlich die bescheidenste und auch preiswerteste Form der Bestattung, es sei denn, man stellt hohe Ansprüche an den Ort der Verstreuung (Asche 3 Typen), siehe die oben erwähnte Gletscherverstreuung.

Bei der Beurteilung dieser Optionen ist zu berücksichtigen, dass die Flächen für Erdbestattung knapper, die Verwesungsqualität der Böden schlechter wird. Die Erosion der Familie und die Unverbindlichkeit der Generationenverträge machen eine angemessene Grabpflege über 30 Jahre zunehmend unwahrscheinlich. Asche nimmt deutlich weniger Platz ein, bietet aber mehr Möglichkeiten für Individualisierung und Aufbewahrung. Der Gemeinschaftscharakter geht natürlich verloren. Die Toten liegen jetzt nicht mehr gemeinsam auf einem Friedhof oder in der Urnenhalle, sondern verstreut und vereinzelt auf Kaminsimsen und Sideboards, gar diffundiert und unkenntlich gemacht von Erde, Wind und Wasser. Kein Schildchen mit dem Namen bleibt hier zurück, keine Schicksalsgenossen um sich herum. Die Menschen sind ja Herdentiere, wird es ihnen wirklich nicht mehr wichtig sein, die ewige Ruhe in Gemeinschaft zu verbringen? Der Trend steht im Moment wohl eher auf Transzendenz und Seelenwanderung, auf Übergang in neue Sphären statt Erhaltung alter Hüllen. Mausoleen sind old school. Raffinierte Entsorgungsstrategien in Kombination mit pars-pro-toto Symbolisationsakten sind die Zukunft. Erstens: Verbrennen, zweitens: 90% der Asche preisgünstig verstreuen und somit wieder eins werden mit Mutter Erde. Drittens: 10% der Asche konservieren und der Nachwelt als repräsentativen Teil seiner selbst überlassen. Das ist die beste Strategie, schon wegen der Risikostreuung und der Teilhabe an gleich zwei Ewigkeitsidealen. Für die 10% braucht man dann natürlich ein schönes Designkonzept, das man übrigens mit Hilfe testamentarischer Verfügungen für die Nachkommen verpflichtend gestalten kann.




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